Sonnenaufgang in Taoro, Land meines Vaters. Magec, die Sonne, füllt das Tal mit Licht und weckt die Teidefinken, die in den Kiefern schlafen. Mit den ersten Sonnenstrahlen fangen auch die Arbeiten im Dorf an. Mein Vater, der Mencey Bencomo, macht seinen täglichen Rundgang durch seine Ländereien und heute begleite ich ihn.
Alltag
Götter, Schamane und Könige
Die Eroberung
Die große Schlacht
„Es blieb uns allein der Stolz, bis ans Ende zu kämpfen.“
Bentor, der letzte Mencey
Das Land meines Vaters erstreckte sich über ein großes Gebiet im Norden der Insel. Heute ist dieses Gebiet in drei Gemeinden unterteilt, von denen eine Los Realejos ist, die meine Geschichte noch immer beherbergt.
Nach dem Tod Bencomos war sich der Konquistador Alonso Fernández de Lugo seines Sieges sicher, und er forderte sofort die Kapitulation aller Guanchen von Taoro. Mein Bruder Bentor war jedoch nicht bereit, sich zu ergeben. Er zog es vor, zu sterben, anstatt seine Freiheit zu verlieren.
Bentor brauchte jedoch nicht lange, um zu erkennen, dass die Spanier sein Königreich erobert hatten und es für sein Volk keine Rettung mehr gab. So kletterte er auf die Klippe von Tigaiga in Los Realejos, begleitet von einigen seiner Krieger, und stieß dort einen letzten Schrei aus, bevor er sich ins Nichts stürzte.
Die Schneckenhörner erklangen erneut, um das Ende einer Dynastie und eines gesamten Volkes anzukündigen. Man schrieb das Jahr 1496.
Der Kampf Bentors und aller Guanchen um den Erhalt ihres Landes und ihrer Lebensweise wird von allen Bewohnern der Insel in einer Vielzahl von Volksliedern und Gedichten gewürdigt.
Ich selbst flüchtete in den Süden der Insel und gründete dort eine neue Familie mit anderen überlebenden Guanchen. Manche sagen heute, ich hätte den Kavalleriehauptmann Gonzalo del Castillo geheiratet, andere, es sei meine Tochter gewesen. Schriftsteller und Dichter haben Geschichten und Legenden über mein Leben, meine Schönheit und mein Ende erzählt, in denen sich Realität und Fiktion vermischen. Was jedoch nie geleugnet werden kann, ist, dass ich eine Prinzessin der Guanchen war, Tochter des großen Menceys Bencomo und Schwester des tapferen Bentor. Die Erinnerung an meine Familie findet sich noch immer in jedem Winkel dieser Täler, als Symbol der Geschichte und Identität der Ureinwohner.
La Cruz Santa
Nach der Eroberung taten sich andere Zeiten auf, die von Frieden und kultureller Mischung geprägt waren. Das Tal erlangte erneut seinen Glanz, dank der Familien, die das Land bewirtschafteten und Nachbarschaften gründeten. Das Streben nach Gemeinschaft führte dazu, dass neue Volksfeste entstanden oder aus alten Bräuchen übernommen wurden, die für gewöhnlich um einen Dorfplatz und einer Kirche herum stattfanden.´
Eines dieser Viertel, durch das ich so oft gegangen bin, als es noch von der Natur bewohnt war, ist das farbenfrohe Viertel La Cruz Santa im westlichen Teil von Los Realejos.
Das Viertel trägt diesen Namen, weil innerhalb seiner Grenzen das Kreuz des Heiligen Santo Madero entdeckt wurde. Die Legende um die Entdeckung des Kreuzes ist ebenfalls Teil der Geschichte des Dorfes und kennzeichnet den Beginn der Fiesta de La Cruz (Fest des Kreuzes), das nun jeden 2. Mai gefeiert wird.
Doch es ist nicht mehr an mir, diese Geschichte zu erzählen.